Zurück

Alles hat seine Zeit

Rede des Fraktionsvorsitzenden der UWG IFI zum Haushaltsplan der Stadt ibb für das Haushaltsjahr 2022 – Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

sehr geehrte Damen und Herren,

wieder liegt ein außergewöhnliches Jahr mit Höhen und Tiefen hinter uns.
Als Rat haben wir Vieles daran gesetzt, die Corona-Zeit mit ihren vielschichtigen Problemen in den Griff zu bekommen. Das Alltagsleben ist aus den Fugen geraten und man muss keine hellseherischen Fähigkeiten besitzen, um zu sagen, dass es noch längere Zeit dauern wird, bis wir wieder zu einem normalen Alltag zurückfinden werden. Auch hier bei uns in ibb hat das Virus zahlreiche Opfer gefordert. Den Angehörigen gilt unser Mitgefühl.

Für Verbraucher, Berufstätige und Wirtschaftsbetriebe wird sich nicht nur die Corona-Pandemie sondern auch das Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG) heftig auswirken.

In der Innenstadt starren uns immer mehr aufgegebene Geschäfte an, weil durch geändertes Konsumverhalten, wie z. B. Onlineeinkäufe, unsere Innenstädte langsam aber sicher veröden. Ohne die Mitwirkung der Vermieter wird man diesen Prozess nicht mehr aufhalten können.

In meinen letzten Hh-Reden habe ich deswegen gefordert, dass wir für die Innenstadt, verehrte KollegenInnen, dringend ein abgestimmtes Konzept brauchen, damit der innerstädtische Handel wieder Fahrt aufnimmt.

Nachdem nun das Land NRW ein beschränktes „Sofortprogramm zur Stärkung unserer Innenstädte und Zentren in Nordrheinwestfalen“ beschlossen hat, hat sich auch endlich der Rat in seiner Septembersitzung dem angeschlossen. Gut so.

Alles braucht halt seine Zeit. Genau wie die Langzeitbaustelle „Magnus“, verehrte KollegenInnen.

Ich hoffe, dass für die Räumlichkeiten ansprechende Geschäftsbetreiber gefunden werden, die diesen Bauklotz gestalterisch aufmöbeln. Denn mit jedem Tag, den der Neubau der Fertigstellung näher kommt, wird deutlicher, wie berechtigt unsere von Beginn an geäußerten Bedenken bezüglich Größe und Gestaltung waren.

Dieses Projekt ist ein überdimensionierter Fremdkörper, der sich zwischen die Immobilien der Innenstadt quetscht. Er passt dort nicht hin.

Ein finanzpolitisches Hoch ist dagegen bei unserem Hh in absehbarer Zeit nicht in Sicht, eher dunkle Wolken am „Hhs-Horizont“, denn Geld wird in nächster Zeit nicht mehr in Hülle und Fülle vorhanden sein.

Die Investitionsliste bis 2025 sieht gewaltige notwendige Investitionen, z. B. im Schulbereich oder bei dem seit 2012 von der UWG geforderten, beantragten und genehmigten Neubau des Kombibades vor, der zwingend notwendig ist.
Das Kombibad muss jetzt kommen und nicht in das Jahr 2024 verschoben werden, damit wir jetzt von dem hohen jährlichen Zuschuss wegkommen.

Auch Antragsteller werden in naher Zukunft keine bzw. nur geringe freiwillige Leistungen aus dem Hh der Stadt erhalten können, weil dieser nicht mehr zulässt.
Dazu ist eine intensive Aufgabenkritik aller städtischen Aktivitäten und Leistungen heute und nicht erst morgen zwingend notwendig und daher darf es keine Denkverbote geben, verehrte KollegenInnen.

Ein wichtiger Aspekt für die UWG IFI ist allerdings, dass wir den vorsichtigen Überlegungen nach Erhöhung der Grundsteuer B eine klare Absage erteilen, denn wir liegen bereits jetzt schon mit 50 Punkten über der Vorgabe des Landes.
Mit der UWG sind folglich Steuererhöhungen nicht zu machen, jedenfalls so lange nicht, bis uns das Land durch Erhöhung der fiktiven Hebesätze dazu zwingt. Bis dahin aber bleibt für uns der erneute Griff ins Portemonnaie der Bürger tabu.
Wenn Geld fehlt, muss geschaut werden, wo wir kürzen können, denn wir dürfen davonausgehen, dass auch das neue Grundsteuer-Modell NRW 2025 für den Steuerzahler nicht günstiger wird.

Im Hh 2022 haben die Personal- und Versorgungsaufwendungen pro Jahr die 35 Mio. € überschritten, verehrte KollegenInnen, und das bei einem Hh von rd. 157 Mio. €.

Da wir noch über eine Rücklage von rd. 30 Mio. € verfügen, die aber mittlerweile mächtig angeknabbert wurde, bietet dieses Pölsterchen nur noch minimale Spielräume bis 2024 und hier wiederhole ich meine Aussage, dass es nicht sein darf, Corona bedingte Kosten nicht jetzt auszugleichen, sondern unseren Kindern aufzubürden.

Die Ansprüche der ibb-Bürger nach einem gesunden und attraktiven Lebensumfeld, weniger motorisiertem Verkehr und mehr Grün in der Innenstadt werden in den nächsten Jahren wohl ein Hauptthema werden.

Verbesserungen beim Radverkehr betreffend haben wir in ibb jedoch noch Nachholbedarf, denn der 7. Platz im Landeswettbewerb kann noch nicht zufrieden stellen.

Auch eine umweltgerechte Verkehrspolitik verlangt nach einem starken und kostenlosen öffentlichen Personennahverkehr, den ersten Schritt dazu hat der Rat bereits umgesetzt.

Dazu gehört aber auch ausreichend bezahlbarer Wohnraum. In dem Bemühen darum frage ich mich, was eigentlich die SPD-Ratsfraktion und ihr Bgm zu den Vorstellungen ihrer Partei- und Fraktionskollegen auf Kreisebene sagen, die eine Kreis-Wohnungsbaugesellschaft gründen und mit dieser auch Grundstücke ankaufen möchten.

Da soll also eine Einrichtung geschaffen werden, die auf dem Grundstücksmarkt als Konkurrent zu den Städten und Gemeinden auftritt und so die Preise weiter in die Höhe treibt. Das geht gar nicht! Nur gut, dass das Planungsrecht noch immer vor Ort liegt.

Das letzte Jahr, verehrte KollegenInnen, hat einmal mehr bestätigt, dass die Umsetzung von beschlossenen bzw. neuen Projekten oftmals an die Leistungsgrenze aller Betroffenen geht.

Hier im Rat muss klar benannt werden, was wir wollen, aber insbesondere, was wir können und nach Gesetz auch dürfen, denn wir sind zuständig für die Umsetzung geltenden Rechts auf kommunaler Ebene, nicht mehr und nicht weniger.

Benennen will ich hier das Projekt Seebrücke, wo die GO dem Rat eindeutig vorgibt, wie er zu verfahren hat. Dass wir uns solidarisch verhalten und für eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik einsetzen, ist selbstverständlich. Dass hier im Rat seinerzeit jedoch 21 Ratsmitglieder nicht für den Antrag gestimmt haben, hat rechtliche und keine sozialen Hintergründe.

Auch die UWG IFI unterstützt ausdrücklich den Schutz der Natur, verehrte KollegenInnen. Es muss jedoch die Verhältnismäßigkeit gewährleistet sein. Dass die Ratsmehrheit bei der Baumschutzsatzung jetzt eingelenkt hat, ist richtig und auch dass die rd. 50 T€ im Hh jetzt direkt z. B. für Baumanpflanzungen eingesetzt werden sollen, ist positiv zu bewerten.

Alles braucht wohl seine Zeit.

Verärgert bin ich in diesem Zusammenhang immer noch über die Aussage des Bgm`s bezüglich der nicht fristgerechten Einbringung des Antrages nach Geschäftsordnung (GO) in der Ratssitzung von Februar 2021 zu diesem Thema.
Zitat: Die Auslegung der Geschäftsordnung wird immer noch von mir entschieden!
Die Frage, die sich mir hier stellt: In welchem Fürstentum leben wir hier eigentlich?

Unser Antrag zum Thema Besuch von Schülern vor Ort, um sich über die Grausamkeiten des Holocaust zu informieren, wurde von der Stadtverwaltung komplett ignoriert und umgedeutet. Das ist absolut inakzeptabel, meine Damen und Herren, denn die beschlossene Vorlage hat mit unserem Antrag tatsächlich nichts mehr zu tun, und das sehen vier von sechs Fraktionen genauso.

Es hat sich in der Verwaltungsspitze eine simple Methode etabliert, mit der unliebsame Anträge abgebürstet werden: Teuer rechnen oder besser noch, deutlichen Personalbedarf zur Realisierung reklamieren.

Die einvernehmliche Festlegung der Zügigkeit der ibb-Gymnasien durch den Rat dagegen ist bemerkenswert, verehrte KollegenInnen. Dass der RP die 4- bzw. 5- Zügigkeit akzeptiert, davon gehe ich aus, denn dadurch wird der Elternwille berücksichtigt und unsere Sorge, dass Eltern sonst ihre Kinder anderweitig angemeldet hätten, war groß.

Stolz ist die UWG IFI darauf, dass die Gesamtschule in diesem Jahr ihr „Zehnjähriges“ feiern kann, denn unser Antrag für eine Gesamtschule wurde seinerzeit erst nach hartem Kampf hier im Rat umgesetzt.

Was wir leider noch nicht umgesetzt sehen, ist unsere Forderung nach einem Namen für unsere Gesamtschule. Alles braucht halt seine Zeit!

Ein weiterer wichtiger Punkt sind die sicherheitstechnischen Maßnahmen im Bereich Bahnübergang Glücksburger Straße – ein Antrag der UWG IFI aus 2016 – der nun endlich 2022 umgesetzt werden soll, um die dortige erhebliche Gefahrensituation zu entschärfen. Positive Gespräche mit allen Betroffenen zeigen jetzt Erfolg, denn die Sicherheit in diesem Bereich wird in absehbarer Zeit dadurch wesentlich verbessert werden.

Die Sanierung der Toilettenanlagen im Rathaus und in den Schulen, auch dies sind ALT-Anträge der UWG IFI, hat auch ihre Zeit gebraucht.

Allerdings ebenfalls in die Jahre gekommen ist unser Antrag für Innerstädtische-Toilettenanlagen, Schade, denn hier herrscht dringender Handlungsbedarf.

Auch bei der Umstellung auf LED-Technik für die Straßenbeleuchtung, ebenfalls ein URALTANTRAG meiner Fraktion, passen Umweltschutz und Energieeinsparung anscheinend in kein Zeitfenster, denn immer noch müssen 2/3 der vorhandenen Leuchten umgerüstet werden. Hier hat jemand offensichtlich die Zeit angehalten.
Dass unser Antrag die demographische Entwicklung betreffend und die Folgen daraus in den Ausschüssen abgelehnt wurde, ist für mich nicht nachvollziehbar.

Unsere Gesellschaft, so auch in ibb, wird überproportional älter und unsere zu setzenden Schwerpunkte in diesem Bereich müssen heute erkannt und Lösungen aufgezeigt werden. Dass dies bis jetzt nicht umgesetzt wurde, bedauere ich sehr.

Sollte das Hospiz erfreulicherweise jetzt doch finanziell unterstützt werden stimmt uns das als UWG IFI-Antragsteller froh und ich danke, verehrte KollegenInnen.

Sorgen wir weiterhin für eine lebenswerte Stadt.

Werden wir den Ansprüchen an eine nachhaltige Zukunft und damit der Verantwortung für künftige Generationen gerecht.

Wir werden den Hh nicht zustimmen.

GLÜCKAUF